Am 13. Januar 2023 wurde in der führenden Fachzeitschrift Nature Reviews eine Zusammenfassung der weltweit verfügbaren Literatur (Rezension) zu Long COVID veröffentlicht, verfasst von Hannah E. Davis, Lisa McCorkell, Julia Moore Vogel und Eric J. Topol. (Long COVID: wichtige Erkenntnisse, Mechanismen und Empfehlungen). Die Autoren diskutieren die bislang wichtigsten Erkenntnisse anhand von fünf verschiedenen Hypothesen, die der Entstehung von Beschwerden bei Long-COVID zugrunde liegen könnten.
Im Folgenden hat C-Support versucht, eine gute Zusammenfassung des Inhalts dieses Artikels in verständlichem Niederländisch bereitzustellen. Wenn Sie im Anschluss an diesen Artikel Fragen zu Ihrer persönlichen Situation haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Behandler oder Ihren C-support-Nachsorgeberater.
Nach einer Corona-Infektion
Long-COVID ist eine Multisystemerkrankung, die nach einer schweren Infektion mit dem akuten respiratorischen Syndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) häufig zu schweren Symptomen führt.
Die biomedizinische Forschung hat erhebliche Fortschritte bei der Charakterisierung von Krankheitsprozessen und der Identifizierung potenzieller Risikofaktoren gemacht. Ähnlichkeiten zwischen ME/CFS (Chronic Fatigue Syndrome) und Long COVID haben den Grundstein für die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich gelegt. Ungefähr 10 % der Menschen, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben, entwickeln das Syndrom von Long COVID. Es wird geschätzt, dass mittlerweile weltweit mindestens 65 Millionen Menschen ein Long-COVID-Symptommuster aufweisen. Long COVID ist eine Multisystemerkrankung mit mehr als 200 identifizierten Symptomen mit nachweisbaren Auswirkungen auf mehrere Organsysteme. Die Symptome können in manchen Fällen jahrelang anhalten. Long-COVID kann in allen Altersgruppen auftreten und hängt nicht immer mit der Schwere der akuten Phase dieser Krankheit zusammen. Die Diagnose wird am häufigsten in der Altersgruppe zwischen 36 und 50 Jahren und bei Frauen gestellt. Long-COVID tritt auch am häufigsten bei Patienten auf, die nicht ins Krankenhaus eingeliefert wurden und einen milden Infektionsverlauf hatten. Über Impfungen 1 Studie zeigte keinen signifikanten Unterschied in der Entwicklung von Long COVID zwischen geimpften und ungeimpften Personen. Andere Studien deuten darauf hin, dass Impfstoffe einen teilweisen Schutz bieten und das Risiko einer Long-COVID-Erkrankung zwischen 15 % und 41 % verringert, wobei Long-COVID weiterhin 9 % der Menschen mit COVID-19 betrifft.
Kinder und langes COVID
Wie Erwachsene klagen auch Kinder mit Long-COVID über extreme Müdigkeit, Unwohlsein nach Belastung (PEM: Verschlechterung der Symptome, die nach allen Formen der Anstrengung auftritt – körperlich, kognitiv, sozial und psychisch), kognitive Dysfunktion, Gedächtnisverlust, Kopfschmerzen und orthostatische Störungen Unverträglichkeit (POTS), Schlafstörungen und Atemnot. Mehrere Studien haben gezeigt, dass mit SARS-CoV-2 (Corona) infizierte Kinder deutlich seltener ein positives PCR-Testergebnis haben als Erwachsene. Das erschwert die Diagnose. Bei Kindern kann dies dazu führen, dass die Infektion in bis zu 90 % der Fälle übersehen wird. Long-COVID kann Kinder jeden Alters betreffen, auch sehr kleine Kinder.
Mögliche Risikofaktoren
Mittlerweile wurden mögliche Risikofaktoren definiert, die eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Long-COVID-Symptomen bewirken. Dies sind die folgenden möglichen Risikofaktoren:
- Weibliches Geschlecht
- Menschen mit einer Autoimmunerkrankung
- Menschen, die Drüsenfieber hatten
- Menschen mit Q-Fieber
- Menschen mit ADHS
- Menschen mit Typ-2-Diabetes
- Menschen mit chronischer Nesselsucht
- Menschen mit Erkrankungen des Bindegewebes wie Rheuma
- Menschen mit allergischer Rhinitis (chronisch entzündete Nasenschleimhaut)
- Menschen spanischer oder lateinamerikanischer Abstammung
- Auch eine zu schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer COVID-19-Infektion kann aufgrund unzureichender Erholung und Balance ein Risikofaktor sein.
Ein Drittel der Menschen mit Long-COVID scheinen vor der Infektion gesund zu sein und leiden nicht an chronischen Erkrankungen.
Hypothesen zu Long COVID
Über den Mechanismus, wie sich Long COVID im menschlichen Körper entwickelt, wurden verschiedene Hypothesen beschrieben. Diese sind in fünf unabhängige Profile unterteilt, die anzeigen, was in einem Körper vor sich gehen könnte (siehe Abb. 1 für eine grafische Darstellung).
1 - Viruspersistenz: die Theorie, dass Viruspartikel über einen langen Zeitraum oder möglicherweise dauerhaft in verschiedenen Organen wie Bauch, Darm, Lunge, Gehirn, Nieren, Fortpflanzungsorganen usw. vorhanden bleiben.
2 - Dysbiose im Darm: die dauerhafte Störung des Gleichgewichts zwischen guten und schlechten Bakterien (einschließlich Viren) im Darmtrakt. Eine Virusinfektion kann das fragile Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Darmbakterienarten (Kolonien) stören und einen Entzündungsprozess auslösen. In manchen Fällen bleibt diese Entzündung im Darmgewebe aktiv. Dann können die weißen Blutkörperchen den Körper nicht mehr vor einer erneuten Infektion schützen oder sind in ihrer Funktion eingeschränkt. Dies führt letztlich zu einer Schwächung des Immunsystems. Nur die Wiederherstellung des Gleichgewichts in den Bakterienkolonien ist die Voraussetzung für ein gesundes Darmimmunsystem.
3 - Hyperimmunität: Fehlregulation des Immunsystems. Mit oder ohne Reaktivierung von Grunderkrankungen, einschließlich (häufig harmloser) früher im Leben aufgetretener Infektionen, beispielsweise mit einem Herpesvirus (Windpockenvirus) und dem häufigen Epstein-Barr-Virus (der Ursache der Mononukleose). Nach dieser Theorie ist das Immunsystem verwirrt und Immunzellen im Körper sind falsch programmiert und greifen körpereigene Zellen an (Autoimmunität).
4 -Blutgefäße: Die Gefäßwände können durch das Virus beschädigt werden. Vor allem in den sehr kleinen Blutgefäßen kann es dann zu einem entzündlichen Prozess kommen. Aufgrund einer Entzündung können diese kleinen Kapillaren durch sogenannte Mikrogerinnsel verstopft werden. Diese wiederum können zu einer schlechten Durchblutung der Blutgefäße führen. Eine verminderte Durchblutung verringert den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff, was wiederum zu Schäden an Nerven und Muskeln führt. Dies könnte die oft gehörte Beschwerde erklären: starke Schmerzen im Körper.
5 - Gestörte Signalverarbeitung im Hirnstamm und/oder Vagusnerv: Die neurologische Signalübertragung im Nervensystem sorgt für ein Gleichgewicht in der Dämpfung und Aktivierung von Organen und Kontrollsystemen. Durch die Toxizität (direkte Schädigung) des Virus am Nervengewebe wird dieses System im Körper erheblich gestört. Häufig treten im Laufe der Zeit neurologische Beschwerdebilder auf, wie zum Beispiel anhaltende Kopfschmerzen und POTS (Schwindel beim aufrechten Stehen). Diese Beschwerden halten in der Regel länger an.
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Wichtigste Erkenntnisse
Bisher war bekannt, dass mehrere virale und bakterielle Infektionen eine typische postinfektiöse Erkrankung verursachen können, wie sie beispielsweise bei Patienten mit ME/CFS (und Q-Fieber) auftritt. Es gibt Hinweise darauf, dass Long-COVID Merkmale dieser Krankheiten aufweist. Grundlage von Long COVID scheint vor allem eine Multisystemstörung zu sein, die Störungen in verschiedenen Regulationssystemen des Körpers verursacht. Der Virusbefall und die Schädigung verschiedener Organsysteme führen zu Störungen der Blutgefäße und möglicherweise lokalen Gerinnungsprozessen, insbesondere aber zu einem veränderten Immunsystem. Die späteren und möglicherweise bleibenden Schäden in verschiedenen Geweben sind vor allem auf ein verändertes Immunsystem zurückzuführen, das körpereigene Zellen bekämpft. Aufgrund der viel höheren Aktivität als normal kommt es zu einer Reaktion, die wir als anhaltenden Entzündungsprozess kennen. Statt einer direkten Infektion von Zellen durch das Virus.
Die Auswirkungen von Long COVID (Schäden) können sich in vielen Organen manifestieren und es kommt zu einer Vielzahl von Symptomen (siehe Abb. 2). Diese Syndrome können sich manchmal überschneiden. Bei Erkrankungen wie MCAS, ME/CFS, POTS können sich Probleme im Körper gegenseitig verstärken. Es wird geschätzt, dass etwa die Hälfte der Patienten mit Long-COVID die Kriterien für die Diagnose von ME/CFS erfüllen, und bei der Mehrheit der Patienten mit Long-COVID tritt Post-Exertional Malaise (PEM) auf.
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Behandlung
Es ist wichtig zu erkennen, dass die Entwicklung und Validierung von Biomarkern, die zur Bestätigung oder Ablehnung der Diagnose von Long-COVID verwendet werden können, sehr dringlich ist. Wenn geeignete Biomarker verfügbar sind, können einer oder mehrere der oben als Hypothesen beschriebenen Mechanismen an einem Patienten getestet werden. Diese gezielte Diagnose kann daher bestätigen, dass die Hypothesen tatsächlich richtig sind und dem schwierigen Krankheitsbild namens Long COVID zugrunde liegen. Obwohl es für einige Komponenten von Long-COVID diagnostische Instrumente gibt, befinden sich diese im Allgemeinen noch in der Entwicklung und sind noch nicht für den Einsatz in der regulären klinischen Praxis geeignet. Es besteht durchaus ein Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Biomarkern und der Erprobung neuer Behandlungsmethoden. Derzeit gibt es keine guten Biomarker und keine validierten wirksamen Behandlungen für Long COVID. Allerdings könnten sich Behandlungen für bestimmte Komponenten dieser Krankheit bei ausgewählten Patienten als wirksam erwiesen haben. Viele Behandlungsstrategien für ME/CFS sind auch für Patienten mit Long-COVID wirksam. Angepasste Trainingsprogramme mit der Pacing-Technik (Verhinderung von körperlichen und/oder geistigen Rückfällen nach dem Training durch Physiotherapeuten) werden derzeit zunehmend eingesetzt und das war in der Genesungsbetreuung nach der ersten Corona-Welle sicherlich nicht der Fall. Viele neue Behandlungsmöglichkeiten bleiben derzeit unterbewertet, oft aufgrund fehlender Mittel für gute und gut konzipierte wissenschaftliche Forschung.
Falsche Diagnose und Behandlung
Ärzte, die mit ME/CFS und Dysautonomie nicht vertraut sind, diagnostizieren manchmal Patienten mit einer psychischen Störung falsch; Bei vier von fünf Patienten mit POTS wird vor Erhalt einer POTS-Diagnose eine psychiatrische oder psychologische Erkrankung diagnostiziert, wobei nur 37 % nach Erhalt ihrer POTS-Diagnose weiterhin eine psychiatrische oder psychologische Diagnose haben.
Bewegung ist schädlich für Patienten mit Long-COVID, die an ME/CFS oder Unwohlsein nach Belastung leiden. Dies sollte nicht als Behandlung verwendet werden. Körperliche Aktivität verschlechterte den Zustand von 75 % der Long-COVID-Patienten und bei weniger als 1 % kam es zu einer Besserung.
Forschung
Es ist eine Forschungsagenda für Long COVID erforderlich, die auf dem vorhandenen Wissen über Erkrankungen wie ME/CFS, Dysautonomie und andere durch Viren verursachte Erkrankungen aufbaut. Die Long-COVID-Forschung sollte auch um die wissenschaftlichen Erkenntnisse erweitert werden, die aus der Forschung an Patienten mit anderen postinfektiösen Erkrankungen als Corona gewonnen werden. Um die Puzzleteile zusammenzufügen und den Mechanismus hinter den Krankheitsprozessen (Pathophysiologie) bei postinfektiösen Erkrankungen besser zu verstehen. Der nächste Schritt besteht darin, die Diagnoseinstrumente zu verbessern (gezielte Blut- und Stuhluntersuchungen, neue Scantechniken zur Kartierung der Lungen- und Gehirnfunktion). Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten stehen derzeit nur unzureichend zur Verfügung. Daher sind dringend mehrere klinische Studien erforderlich, um neue Behandlungen, die auf den oben genannten (hypothetischen) biologischen Mechanismen basieren, gründlich zu testen.